Keine pauschale Mietzinsanpassung aufgrund coronabedingter Betriebsschließungen

Art. 240 § 7 EGBGB, COVID, Vertragsanpassung, Störung, Miete, Mangel, § 536, Pandemie, Geschäftsgrundlage, Schließung
20.01.2022 | 

Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der damit einhergehenden behördlich angeordneten Betriebsschließungen kam es vor allem im Jahr 2020 bei vielen Gewerbetreibenden zu enormen Umsatzeinbußen, gleichwohl standen sie vor dem Problem, dass Mietzahlungsverpflichtungen ihrer Gewerbeimmobilien weiter liefen. Der Gesetzgeber hat darauf bereits im Dezember 2020 mit der Neueinführung des Art. 240 § 7 EGBGB reagiert hat und klarstellt, dass bei durch staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie bedingten Untersagungen oder erheblichen Einschränkungen des Betriebes gewerblicher Mieter vermutet wird, dass sich die Grundlage des Mietvertrages nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat und eine Vertragsanpassung wegen Störung der Vertragsgrundlage grundsätzlich in Betracht kommen kann.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass eine solche Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage aber keineswegs zu einer pauschalen 50% Kürzung der vereinbarten Miete führt, sondern die jeweilige Anpassung einzelfallbezogen zu berechnen ist (BGH Urteil vom 12. Januar 2020 – XII ZR 8/21).

Zur Entscheidung

In der dem BGH vorgelegten Entscheidung ging es um die Frage, ob ein Gewerbetreibender die Miete für April 2020 trotz behördlich angeordneter Schließung seines Betriebes entrichten muss und wenn ja, in welcher Höhe die Miete für April 2020 geschuldet ist.

Das oberste deutsche Gericht folgte der Auffassung der Vorinstanz, dass durch die behördliche Schließung kein Mangel des Mietgegenstandes i. S. d. § 536 Abs. 1. S. 1 BGB vorlag und die Miete für April 2020 folglich nicht gemindert war. Voraussetzung für einen Mietmangel ist, dass die Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjektes im Zusammenhang steht. Die Schließungsanordnung aufgrund der Pandemie knüpft jedoch an die Nutzungsart an, sodass die Voraussetzungen des § 536 Abs. 1. S. 1 BGB nicht vorliegen.

In Betracht kommt, wie auch von der Vorinstanz erkannt, ein Anspruch des Mieters auf Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB. Dies setzt den Eintritt von Umständen voraus, die die Geschäftsgrundlage nach Vertragsschluss schwerwiegend verändern. Zu Geschäftsgrundlage gehören auch Erwartungen der Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrages nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Diese Erwartung sei nach BGH durch die Pandemie schwerwiegend gestört. Dies ergibt sich u.a. auch aus dem eingangs erwähnten Art. 240 § 7 EGBGB. Die wirtschaftlichen Nachteile eines Mieters bei einer pandemiebedingten Schließung seien keine Folge unternehmerischer Entscheidungen und somit nicht allein der Risikosphäre des Mieters zuzuordnen.

Neben dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist weitere Voraussetzung für eine Vertragsanpassung, dass der betroffenen Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, dass Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Die pandemiebedingten Betriebsschließungen gehen über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus.

Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanz jedoch auf, weil eine pauschale 50% Kürzung der Miete nicht in Betracht kommt. Berücksichtigt werden müsse vielmehr welche konkreten Nachteile der Mieter aufgrund der behördlich angeordneten Schließung hat, denn eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage dürfe keinesfalls zu einer Überkompensierung führen. So seien Vorteile, die der Mieter aufgrund der Schließung erhält, wie beispielsweise staatliche Hilfen oder Leistungen aus Betriebsschließungsversicherungen zu berücksichtigen.

Der BGH hat die Sache zur nochmaligen Entscheidung zurück an das Oberlandesgericht verwiesen. Dies hat nun die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen der Schließung auf den Betrieb des Mieters in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob diese Nachteile ein Ausmaß erreichen, die eine Anpassung des Vertrages gem. § 313 Abs. 1 BGB erforderlich machen.

Welche Auswirkungen hat die Entscheidung für Mieter?

Da der BGH einer pauschalen Herabsetzung der Miete eine klare Absage erteilt hat, ist in jedem Einzelfall konkret zu prüfen, welche Umsatzeinbußen aufgrund der Schließung konkret bestanden. Dies führt zu einer umfassenden Darlegungs- und Beweislast des Mieters.

Betrachtet wird, ob der Mieter Maßnahmen ergriffen hat oder hätte ergreifen können, um seinen Umsatzverlust entgegenzuwirken. Bei dem Verkauf von Waren kann dies grundsätzlich über den Onlinehandel erfolgen. Restaurants und ähnliches können einen Lieferdienst anbieten. Stehen dem Mieter diese Maßnahmen grundsätzlich zur Verfügung und nutzt er sie nicht, weil dies einen erhöhten Planungs- und Organisierungsaufwand mit sich bringen würde, findet die bloße Möglichkeit einer Umsatzverlustreduzierung dennoch Beachtung bei der Prüfung inwieweit die Miete anzupassen ist. Freilich dürften im umgekehrten Fall die zusätzlichen Kosten für Umstrukturierung des Betriebes und ggf. erforderlicher Personalmehrbedarf ebenfalls Berücksichtigung bei der Mietanpassung finden.

Der Mieter muss auch offenlegen, welche staatliche Leistungen für den Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile gezahlt wurden und ob Leistungen aus einer Betriebsversicherung gewährt wurden. Nicht zu beachten sind allerdings staatliche Unterstützungsmaßnahmen auf Basis eines Darlehens, da diese keine Kompensation darstellen. Auch hinsichtlich staatlicher Unterstützungshilfen und Leistungen aus Versicherungen muss der Mieter darlegen, dass er sich um solche vergeblich bemüht hat. Der BGH formuliert in seinem Urteil klar, dass der Mieter, der behauptet keine staatlichen Leistungen erhalten zu haben und einen Nachweis über die vergebliche Bemühung um staatliche Leistungen nicht erbringen kann, sich so behandeln lassen muss als habe er staatliche Leistungen erhalten.

In Betracht kommt nach der Entscheidung des BGH auch, dass dem Mieter überhaupt kein Anpassungsrecht zusteht, weil die konkreten wirtschaftlichen Nachteile kein Ausmaß erreichen, das dem Mieter das Festhalten am Vertrag unzumutbar macht.

Welche Auswirkungen hat die Entscheidung für Vermieter?

Aus der Entscheidung des BGH wird deutlich, dass die Auswirkungen einer behördlichen Schließungsanordnung aufgrund der derzeitigen Pandemie keinesfalls allein von einer Vertragspartei allein zu tragen sind, sondern es sich dabei vielmehr um Umstände handelt, die beide Parteien betreffen und mit der beide Parteien nicht gerechnet haben.

Ob eine Reduzierung der Miete von über 50% möglich sei, dazu hat sich der BGH nicht geäußert. Es bleibt abzuwarten, wie die Instanzgerichte sich nach der Ablehnung einer pauschalen 50:50-Regelung nunmehr bzgl. der genauen Anpassungen entscheiden werden.

Der Ausgang eines gerichtlichen Streits über die Anpassungshöhe ist nach der Entscheidung des BGH für beide Seiten offen und ungewiss, sodass beiden Seiten daran gelegen sein dürfte eine außergerichtliche Einigung über eine Mietanpassung für die Monate der Schließung herbeizuführen.

Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt Andreas Noack, Rechtsanwältin Anja Rebentisch

BEHTGE.REIMANN.STARI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

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