Änderungen am EnWG, AVBFernwärmeV

EnWG, AVBFernwärmeV, Ersatzversorgung, Grundversorgung, Weiterveräußerungsverbot, Vertragsanalyse
21.07.2022 | 

A. Änderungen an AVBFernwärmeV

Die Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (BGBl. I S. 1134) trat am 19. Juli 2022 in Kraft. Durch die Verordnung erfuhr der § 24 AVBFernwärmeV eine Änderung, welche künftig in Fällen, in denen sich Fernwärmeversorgungsunternehmen einer Preiserhöhung durch ihre Energielieferanten in Fällen von reduzierten Gesamtgasimportmengen gem. § 24 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) ausgesetzt sehen, ein außerordentliches Preisanpassungsrecht gegenüber ihren eigenen Kunden. Das Preisanpassungsrecht ermöglicht dabei eine Preisanpassung nach deutlich kürzeren Fristen, als die regulären Anpassungsrechte. Die Regelung orientiert sich insoweit an dem Preisanpassungsrecht aus § 24 EnSiG.

B. Änderungen an EnWG

I. Tarifregelungen in Grund- und Ersatzversorgung

Der Bundestag hat am 08. Juli 2022 beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Enkundenbelieferung, mit dem unter anderem das Verbot des Tarifsplits in der Grundversorgung und zu gesonderten Ersatzversorgungstarifen (siehe unsere Info zum Energierecht Nr. 78 v. 04. Juli 2022, dort B.II. und B.III) geregelt wird, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Das Gesetz wurde bisher noch nicht veröffentlicht. Mit einer Veröffentlichung ist aber in den nächsten Tagen zu rechnen.

Für die Anpassung der Tarife gilt eine Übergangsfrist. Grundversorger müsse nach § 118 Abs. 44 EnWG n.F. bis zum Monatsersten, der drei Monate auf das Datum des Inkrafttreten des Gesetzes folgt, ihre Allgemeinen Bedingungen und Preise an die Vorgaben des § 36 EnWG n.F. angepasst haben. Da mit einer Verkündung noch im Juli zu rechnen ist, ist davon auszugehen, dass eine Anpassung bis zum 01. November 2022 zu erfolgen hat.

II. Änderungen bei Gaslieferverträgen

Das Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften trat am 12. Juli 2022 in Kraft. Durch dieses Gesetz wurden u.a. das EnWG und das EnSiG umfangreichen Änderungen unterworfen.

Die für Gaslieferanten bedeutsamste Änderungen mit Relevanz für ihre Lieferverträge finden sich dabei in den §§ 50g, 50h EnWG.

1. Untersagung von Weiterveräußerungsverboten

Durch § 50g Abs. 1 EnWG werden in Verträgen mit Letztverbrauchern, in denen Mindestbelieferungen vorgesehen sind, alle Vereinbarungen für unwirksam erklärt, die eine Weiterveräußerung von nicht verbrauchten Gasmengen untersagen (vgl. BT-Drs. 20/2356, S. 26).

Regelungen, in denen Mindestabnahmemengen bei Energielieferungen vereinbart wurden und gleichzeitig ein Weiterveräußerungsverbot für den Kunden bestand, wurden schon in der Vergangenheit, u.a. vom Bundeskartellamt, als unzulässig bewertet.

Durch die vorliegende Regelung dürften darüber hinausgehend aber alle Weiterveräußerungsverbote unzulässig sein. Dies betrifft auch diejenigen Verträge, in denen dem Kunden die Weiterveräußerung von Gas bei einer Mindestabnahmeverpflichtung untersagt wird, aber eine Rückvergütung angelehnt an den Börsenpreis erfolgt. Der Gesetzgeber wollte durch die Regelung „alle Vereinbarungen für unwirksam erklär[en], die eine Weiterveräußerung nicht verbrauchter Gasmengen untersagen“ (BT-Drs. 20/2356, S. 26).

Die Regelung sieht keine Verbrauchsschwellen vor und gilt für alle Verträge (SLP und RLM).

§ 50g EnWG ist gem. § 121 S. 1 EnWG bis zum 31. März 2023 befristet.

2. Pflicht zur Verrechnung von Mengenreduktionen

Gemäß § 50g Abs. 2 EnWG hat der Letztverbraucher einen Anspruch auf Verrechnung der entsprechenden Abnahmemengen, wenn er ganz oder teilweise auf den Bezug der Mindestabnahmemengen verzichtet.

Durch die Norm entsteht ein Anspruch des Letztverbrauchers auf Rücknahme der der durch den Letztverbraucher nicht verbrauchten Gasmengen. Diese sind dem Letztverbraucher durch den Lieferanten jeweils mit dem aktuellen börslichen Großhandelspreis zu vergüten. Der Lieferant kann eine Pauschale in Höhe von 10 % der sich daraus ergebenden Rückerstattung berechnen, die seinen erforderlichen Aufwand für die Rücknahme und Weiterveräußerung der Gasmenge kompensieren soll.

Diese Regelung gilt nur für Verträge zur Belieferung von Anlagen von Letztverbrauchern mit einer Anschlussleitung von über 10 MW.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Norm in Fällen reduzierter Gaslieferungen an den Lieferanten nicht greifen. Das Recht auf vertragliche Anpassung aufgrund höherer Gewalt wird nicht berührt.

3. Vertragsanalyse für RLM-Gaskunden

§ 50h Abs. 1 EnWG schreibt erstmals zum 01. Oktober 2022 eine Vertragsanalyse vor, die von den Gaslieferanten den von ihnen belieferten Letztverbrauchern mit registrierender Lastmessung zur Verfügung zu stellen ist. Die Analyse hat danach jährlich zu erfolgen.

Die Vertragsanalyse ist eine völlig neue Pflicht des Lieferanten, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers dazu dienen soll, eine effizientere Allokation von Gasmengen dadurch zu erreichen, dass sich Lieferanten und Letztverbraucher über einen möglichen Weiterverkauf von Gasmengen austauschen, wenn durch Gasbezugsreduktionen beim Letztverbraucher Gasmengen frei werden.

§ 50h Abs. 2 EnWG präzisiert den Inhalt der Vertragsanalyse. Die Vertragsanalyse hat alle erforderlichen Informationen zu enthalten, die dem Lieferanten und dem Kunden ermöglichen, zu bewerten, inwieweit auf die jeweils relevanten Gasgroßhandelspreise an der Börse reagiert werden kann und inwieweit Potential besteht, sich entweder über den Gaslieferanten oder selbst am Gasgroßhandelsmarkt zu beteiligen. Dabei enthält § 50h Abs. 2 S. 2 EnWG eine nicht abschließende Aufzählung von Angaben:

  • Relevante Gasgroßhandelspreise an der Börse (inklusive aktueller Spot- und Terminmarktpreise)
  • Möglichkeit des Weiterverkaufs der Gasmengen durch Lieferanten oder durch Kunden
  • Möglichkeiten, wie der Letztverbraucher am Verkaufserlös von Gasmengen partizipieren kann, wenn er (zu Gunsten des Weiterverkaufs) seine Abnahme einstellt oder verringert
  • Mögliche Vertragsänderungen, um Weiterverkauf oder Partizipation am Erlös zu ermöglichen

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen auch die Auswirkungen auf die im Vertrag festgelegten Preise dargestellt werden (BT-Drs. 20/2356, S. 27).

Die Vertragsanalyse ist erstmals zum 01. Oktober 2022 den RLM-Kunden vorzulegen. § 50h Abs. 3 EnWG regelt, dass die BNetzA die Einhaltung dieser Pflicht überprüfen darf und dazu bei den Gaslieferanten die Vorlage von Vertragsanalysen verlangen kann.

§ 50h EnWG ist gem. § 121 S. 2 EnWG bis zum 31. März 2024 befristet.

C. Fazit

Für Gasversorger besteht unmittelbarer Handlungsbedarf im Hinblick auf die Pflicht, bereits zum 01. Oktober 2022 erstmalig ihren RLM-Kunden Vertragsanalysen vorzulegen.

Wenn Sie Unterstützung bei der Umsetzung benötigen oder Fragen zu den Neuregelungen haben, sprechen Sie uns gerne an.

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann

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