- Neue gesetzliche Regelungen für die Energieversorgung - u.a. Neugestaltung der Grund- und Ersatzversorgung, Netzausbau, Netzanschluss und Umgang mit einer Gasmangellage

Neugestaltung der Grund- und Ersatzversorgung, Neuausbau, Gasmangellage, Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung, § 41 Abs. 6 EnWG, EEG-Umlage zum 30. Juni 2022 abgeschafft, § 35 e EnWG, Speicherumlage, § 5 EnWG, Mindestschadensersatzregelung, § 29 GWB, Alarmstufe, Notfallplan Gas, Energiesicherhetisgesetz vom 20. Mai 2022, Ersatzbeschaffung von Gas, § 2 a EnergieSichG, digitale Plattform, Marktgebietsverantwortliche, Treuhandverwaltung, Enteignung von Unternehmen der Kritischen Infrastruktur, Besonderes Preisanpassungsrecht, § 24 EnergieSichG, § 14 e EnWG, gemeinsame Internetplattform, Netzausbau für ihr Versorgungsnetz, § 14 d EnWG n.F., marktbasierte Solidaritätsmaßnahmen, § 1 a Abs. 6 GasSV, Betreiber von Gasverteilernetzen, Endverbraucher, registieren, Tarifsplit, § 36 Abs. 1 Satz 2 EnWG, Grundversorgungspreis, gesonderte Ersatzversorgungspreise bei Haushaltskunden, Kalkulation der Ersatzversorgungspreise, Versorgeranteil, Anzeigepflicht bei Aufnahme und Beendigung von Energielieferungen, Fernwärmeversorgung, verlängert
04.07.2022 | 

Derzeit gibt es zahlreiche Gesetzgebungsverfahren, die neue Regelungen für die Energieversorgung in Deutschland einführen. Nachfolgend stellen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Änderungen dar. Dazu erlauben wir uns, vorab ein Inhaltsverzeichnis voranzustellen.

A. Überblick über wichtige Änderungen

I. Für den Vertrieb:

Die Energielieferanten stehen wegen kurzfristiger Lieferausfälle von Lieferanten und der extremen Preisentwicklung an den Märkten extrem unter Druck. Teilweise hat der Gesetzgeber nun mit dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung“ auf diese Sachlage reagiert. Die beabsichtigte Einstellung der Energielieferung ist der Bundesnetzagentur nunmehr spätestens drei Monate vorher anzuzeigen. Aufsichtsrechte der BNetzA gegenüber Lieferanten werden gestärkt und die Grund- und Ersatzversorger durch geänderte Regelungen zur Ersatzversorgung vor einem Missbrauch geschützt.

Die Grund- und Ersatzversorgung wurde umfassend neu geregelt. (Dazu näher unter B.). Die Regelungen sind derzeit noch nicht in Kraft.

Seit dem 28. Mai 2022 gilt u.a. eine Neuregelung in § 41 Abs. 6 EnWG zur Weitergabe von Steuern und Umlagen. Nunmehr können auch Umlagensenkungen zum EEG, KWKG, § 19 StromNEV und zur abschaltbaren Lastenverordnung wie bei der Umsatzsteuer ohne vorherige Ankündigung und ohne Gewährung eines Sonderkündigungsrechts umgesetzt werden. Zu beachten ist, dass diese Neuregelung nicht für alle Umlagen gilt. Die CO2-Umlage nach BEHG erfordert weiterhin eine Preisanpassung nach allgemeinen Bestimmungen mit Sonderkündigungsrecht.

Bekannt dürfte bereits sein, dass die EEG-Umlage zum 30. Juni 2022 abgeschafft wurde. Dies galt zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2022, ist nun aber auch für die Folgejahre unbefristet vorgesehen. Hierzu ist es erforderlich, die Angaben zu den Preisbestandteilen in den AGB und Preisblätter zu ändern, da auch zukünftig die EEG-Umlage nicht mehr erhoben werden wird. Bitte beachten Sie, dass hierzu KEIN gesondertes Preisanpassungsschreiben gefertigt werden muss, sondern eine Absenkung automatisch – wie bei der Umsatzsteuer – vorzunehmen ist. Ein Sonderkündigungsrecht der Kunden besteht insoweit auch nicht. Ihre Sondervertragsbedingungen, die in der Regel noch etwas anderes enthalten, sollten angepasst werden. Bei einer Erhöhung gilt die übliche Art der Preisanpassung weiterhin.

Derzeit konsultiert die Bundesnetzagentur die Ausgestaltung einer Umlage nach § 35 e EnWG (sog. Speicherumlage), die zukünftig von den Bilanzkreisverantwortlichen zu zahlen sein und sich kostenerhöhend auf die Lieferpreise im Gas auswirken wird. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen (BK 7-22-052). Bis zum 14. Juni 2022 konnte hierzu Stellung genommen werden. Die Umlage soll ab dem 01. Oktober 2022 gelten. Für Verträge, die ab dem 01. Oktober 2022 abgeschlossen werden, sollte unbedingt als Preisbestandteil auch diese Umlage aufgeführt werden. Die bisherigen Verträge erlauben die Weitergabe bei nachträglichem Einführen von Abgaben und Umlagen. Spätestens sobald die Höhe feststeht, sollten aber die Verträge an die geänderte Rechtslage angepasst werden. Lieferverträge müssten entsprechend angepasst werden.

Ferner werden weitere Bestimmungen im EnWG und GWB angepasst, die sich auch auf Lieferverhältnisse auswirken (dazu unter C. und D.)

  • Einführen einer Zuverlässigkeitsprüfung bei der Anzeige der Energielieferung nach § 5 EnWG, Anzeigepflichten für Energielieferanten bei beabsichtigter Einstellung ihrer Tätigkeit sowie neue Aufsichtsrechte und Eingriffsbefugnisse der Bundesnetzagentur (§ 5 EnWG n.F.)
  • Mindestschadensersatzregelung bei Pflichtverletzung von Lieferanten (§ 20a Abs. 4 letzter Satz EnWG n.F.)
  • Verlängerung der kartellrechtlichen Preismissbrauchskontrolle über § 29 GWB sowie Ausweitung auf die Wärmeversorgung bis zum 31. Dezember 2027.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 23. Juni 2022 die Alarmstufe und damit die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Eine Gasmangellage ist aber derzeit noch nicht festgestellt.

Mit dem Energiesicherheitsgesetz vom 20. Mai 2022 hatte der Gesetzgeber bereits auf die neusten Entwicklungen auf dem Energiemarkt reagiert und Maßnahmen bei Vorliegen einer Gasmangellage etabliert. Das Gesetz ist bereits im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und seit dem 22.05.2022 in Kraft (BGBl. I, S. 730 ff). Daraus ergeben sich aus unserer Sicht folgende weitere wichtige Regelungen, die auch Auswirkungen auf die Belieferung von Endkunden haben.

  • Regelungen zur Ersatzbeschaffung von Gas durch die Bundesnetzagentur im Falle einer Gasmangellage unterstützt durch Marktgebietsverantwortliche (§ 2 a EnergieSichG).
  • Einrichtung einer digitalen Plattform für Erdgas durch die Marktgebietsverantwortlichen
  • Regelungen zur Einführung von Treuhandverwaltung und Enteignung von Unternehmen der Kritischen Infrastruktur als Reaktion auf die Entwicklungen bei Gazprom Deutschland
  • Besondere Preisanpassungsrechte für Energielieferanten unabhängig von vertraglichen Regelungen (§ 24 EnergieSichG) für den Fall, dass die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmenge nach Deutschland nach Ausrufung der Alarmstufe oder Notfallstufe festgestellt hast (Feststellung einer Gasmangellage). Die Feststellung wird im Bundesanzeiger bekannt gegeben.
  1. Recht auf Preisanpassung auf ein angemessenes Niveau (Grenze Mehrkosten der Ersatzbeschaffung)
  2. Gilt für alle Lieferverhältnisse und Lieferstufen also auch für Vorlieferanten gegenüber Weiterverteilern!
  3. Unterrichtung gem. § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG bei Letztverbrauchern allerdings mit einer abweichenden Frist von nur einer Woche! In übrigen Verhältnissen gilt keine Frist!
  4. Es besteht ein Sonderkündigungsrecht. Auf dieses ist auch hinzuweisen!
  5. Wird von diesem Preisanpassungsrecht Gebrauch gemacht, sind vertraglich vereinbarte Preisanpassungsrechte bis zur Aufhebung der Feststellung der Gasmangellage ausgesetzt!
  6. Wird Gasmangellage aufgehoben, sind Preise auf ein angemessenes Niveau abzusenken.
  7. Die Anpassungen sind der Bundesnetzagentur in elektronischer Form eine Woche nach der Anpassung mitzuteilen.
  • Neue Vorgaben für Unternehmen der Kritischen Infrastruktur werden von der Bundesnetzagentur bis zum 22. Mai 2023 erarbeitet und sind dann von den betroffenen Unternehmen binnen sechs Monaten umzusetzen.
  • Die Außerbetriebnahme und Stilllegung von Gasspeichern im Sinne des § 35 a Abs. 2 EnWG ist der BNetzA anzuzeigen und bedarf der vorherigen Genehmigung.

II. Für Netzbetreiber

Ab 01. Januar 2023 müssen Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen gem. § 14 e EnWG n.F. Eine gemeinsame Internetplattform einrichten und betreiben, über die Anschlussanfragen nach § 8 EEG abgewickelt werden können. Die Abwicklung betrifft sowohl die Antragsstellung als auch die interne Abwicklung der Abstimmungsprozesse zwischen den Netzbetreibern. Weitere Veröffentlichungspflichten werden eingeführt, die über diese Plattform ebenfalls zu erfüllen sind.

Alle Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen haben erstmals zum 30. April 2024 der Bundesnetzagentur einen Netzausbauplan für ihr Versorgungsnetz vorzulegen (§ 14 d EnWG n.F.). Diese Vorlagepflicht gilt anschließend alle zwei Jahre. Damit möchte der Gesetzgeber den weitergehenden Netzausbau zur Einbindung erneuerbarer Energien befördern. Netzausbaupläne sind nach neu zu definierenden Planungsregionen zusätzlich netzübergreifend zu erstellen (Regionalszenario). Insoweit erfordert die Erstellung eine übergeordnete Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Verteilnetzbetreibern. Was Inhalt der Pläne sein muss, ist gesetzlich definiert. Die Regulierungsbehörden können noch weitere Einzelheiten regeln. Kleine Verteilnetzbetreiber mit bis zu 100.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Kunden sind von diesen Pflichten ausgenommen, solange die Stromerzeugung dort nicht um mehr als 3 % für Anlagen aus erneuerbaren Energien gekürzt wurde.

Änderung der NAV: Netzanschlüsse müssen ab dem 01. Januar 2024 über die Internetseite des Netzbetreibers beauftragt werden können. Es sollen hierzu einheitliche Formate abgestimmt werden. Innerhalb von zehn Werktagen nach Antragstellung hat der Netzbetreiber den voraussichtlichen Zeitbedarf für die Herstellung des Anschlusses mitzuteilen. Mitteilungen nach § 19 NAV müssen ab dem 01. Januar 2024 ebenfalls in elektronischer Form über die Internetseite ermöglicht werden.

Zur Umsetzung sog. marktbasierter Solidaritätsmaßnahmen (s.o. EnergieSichG) und auch Verfügungen zur Zuteilung, Bezug, Verwendung und Ausschluss vom Bezug können Bilanzkreisverantwortliche und Endverbraucher (nur Unternehmen und Gewerbetreibende ≥10 MW pro Stunde) nach der Gassicherungsverordnung über eine von den Marktverantwortlichen bis zum 01. Oktober 2022 bereitzustellende Plattform Angebote für solche Solidaritätsmaßnahmen (Verzicht auf Belieferung) abgeben. Rechtsgrundlage ist hier die Gassicherungsverordnung. Gem. § 1 a Abs. 6 GasSV sind Bilanzkreisverantwortliche, Endverbraucher, Fernleitungsnetzbetreiber und Betreiber von Gasverteilernetzen verpflichtet, sich auf der Plattform zu registrieren.

B. Änderungen im EnWG zur Neuregelung der Grund- und Ersatzversorgung

I. Zeitschiene für eine Umsetzung

In zweiter und dritter Lesung hat der Bundestag am 24. Juni 2022 das sog. „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung“ verabschiedet. Das Gesetz wird am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Am 08. Juli 2022 erfolgt voraussichtlich die abschließende Beschlussfassung im Bundesrat. Der federführende Ausschuss des Bundesrates hat bereits angekündigt, keinen Einspruch einzulegen, sodass mit der Ausfertigung des Bundespräsidenten und der anschließenden Verkündung im Bundesgesetzblatt zeitnah, spätestens Ende Juli/Anfang August, gerechnet werden muss! Eine Übergangsfrist ist – anders als von den Verbänden gefordert – nicht vorgesehen!

Die wohl wichtigste Änderung des Gesetzes betrifft die Neugestaltung der Grund- und Ersatzversorgung. Diese erfordert von den Unternehmen eine Anpassung ihrer Preise und Prozesse!

Sowohl für die Unternehmen, die sich für die Einführung eines Tarifsplits entschieden haben als auch für diejenigen Unternehmen, die es bei einem einheitlichen Grundversorgungspreis für Neu- und Altkunden belassen haben, führt die Änderung im EnWG zur Neuregelung der Grund- und Ersatzversorgung zu einem dringenden Handlungs- und Anpassungsbedarf.

II. Tarifsplit in der Grundversorgung wird unzulässig

Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 n.F. dürfen Energieversorgungsunternehmen bei den Allgemeinen Bedingungen und Preisen

„nicht nach dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Grundversorgungsvertrages unterscheiden“.

Der Gesetzgeber möchte damit diese bisher streitige Rechtsfrage auflösen.

Der Gesetzgeber macht in seiner Gesetzesbegründung deutlich, dass die für die Grundversorgung veröffentlichten Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preise für alle grundversorgten Kunden „einheitlich“ sein müssen. Mit dem Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung werden nach unserer Einschätzung bestehende Tarifsplits gegen ein gesetzliches Verbot (nämlich § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG n.F.) verstoßen und sind dann gem. § 134 BGB unwirksam. Fraglich ist, was die Rechtsfolge dieser Unwirksamkeit ist.

Es dürfte vertretbar sein, anzunehmen, dass die Unwirksamkeit nicht den Grundversorgungsvertrag als solchen, sondern lediglich die unterschiedliche Preisstellung erfasst und deshalb jegliche Kunden in der Grundversorgung zunächst weiterhin nach den Bedingungen der Grundversorgungsverordnung, dann aber nach den für Altkunden veröffentlichten Preisen zu versorgen sein dürften. Diese Rechtsfolge dürfte automatisch eintreten und bedarf wohl keiner Preisanpassung mit entsprechender Anpassungsfrist. Empfehlenswert dürfte aber eine Info an die betroffenen Kunden sein.

Die gesetzliche Regelung führt allerdings nicht automatisch dazu, dass die bis dahin abgerechneten Preise im Rahmen des Tarifsplits unzulässig waren. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung diesen Punkt ausdrücklich offen gelassen und nur festgestellt, dass der Grundversorgungspreis jedenfalls künftig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses unabhängig sein soll.

Diese Rechtsfrage wird nach wie vor von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Auch die Kartellbehörden haben teilweise bereits Voranfragen zur Überprüfung eines möglichen Preismissbrauchs gestellt bzw. sogar Verfahren eingeleitet aber auch wieder eingestellt. Hier wird es darauf ankommen, ob die von den Unternehmen vor Umsetzung des Tarifsplits angestellten Überlegungen zur Einführung des Tarifsplits einer rechtlichen Überprüfung standhalten.

Mit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung ist zugleich dafür Sorge zu tragen, dass nur noch ein Grundversorgungspreis veröffentlicht ist.

In der Gesetzesbegründung erwähnt der Gesetzgeber ferner, dass „auch eine Differenzierung aufgrund anderer Kriterien […] zukünftig unzulässig“ sein soll. Angesichts des klaren Wortlauts, der lediglich die Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses untersagt, ist diese Erwägung doch sehr überraschend. Da der Wortlaut stets die äußere Grenze der Auslegung bildet, sehen wir für diejenigen Grundversorger, die nach Abnahmemengen gestaffelte Tarife anbieten oder eine sog. Bestpreisabrechnung vorsehen, derzeit noch keinen zwingenden Anpassungsbedarf.

III. Neuregelung der Ersatzversorgung

1. Gesonderte Ersatzversorgungspreise auch bei Haushaltskunden sind jetzt möglich!

Um den Interessen der Grundversorger angesichts der Abschaffung des Tarifsplits Rechnung zu tragen, stellt der Gesetzgeber es den Grundversorgern nunmehr auch im Verhältnis zu Haushaltskunden frei, höhere Allgemeine Preise in der Ersatzversorgung auszuweisen.

Die Grundversorger sind frei in der Entscheidung, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen.

2. Vorgaben zur Preiskalkulation bei gesonderten Ersatzversorgungspreisen

Der Gesetzgeber macht aber Vorgaben zur Kalkulation der Ersatzversorgungspreise, wenn EVU von der Möglichkeit gesonderter Ersatzversorgungspreise Gebrauch machen wollen.

Die Beschaffungskosten der Ersatzversorgung dürfen kalkulatorisch nicht höher angesetzt werden, als sie sich für den Grundversorger im Falle einer kurzfristigen Beschaffung der für die durch ihn durchgeführten Ersatzversorgung erforderlichen Energiemengen über Börsenprodukte ergeben würden.

Aus Transparenzgründen sollen also als Kostenmaßstab die Preise entsprechend kurzfristiger Börsenprodukte herangezogen werden.

3. Neue Preisanpassungstermine und Fristen für die Ersatzversorgung

Neu ist, dass der Ersatzversorgung die Ersatzversorgungspreise unter Berücksichtigung der Anpassungsfristen gem. Strom-/GasGVV jeweils zum ersten und 15. Tag eines Kalendermonats neu ermitteln und veröffentlichen darf, vgl. § 38 Abs. 2 Satz 1 n.F. Damit ist gewährleistet, dass der Ersatzversorger aktuellen Preisentwicklungen Rechnung tragen kann.

Die Änderung wird mit der Veröffentlichung auf der Internetseite wirksam! Eine Mitteilung an bereits ersatzversorgte Kunden braucht es somit erst mit der Abrechnung! Dann ist aber der Versorgeranteil mit auszuweisen (§ 41b Abs. 4 n.F. EnWG). Der Gesetzgeber versteht unter dem Versorgeranteil die Beschaffungs- und Vertriebskosten sowie die Marge des Energielieferanten. Der Versorgeranteil ergibt sich rechnerisch aus dem Endpreis vor Umsatzsteuer, von dem die staatlich veranlassten Kostenbestandteile und die Netzentgelte abgezogen werden.

Die Veröffentlichungspflicht wird aber erweitert: Der Ersatzversorger muss nun auf seiner Internetseite die Allgemeinen Preise der Ersatzversorgung der mindestens letzten sechs Monate vorhalten.

Als Voraussetzung normiert § 38 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 n.F. insofern, dass die bei der Ermittlung der Allgemeinen Preise der Ersatzversorgung für Haushaltskunden berücksichtigten Beschaffungskosten gesondert auszuweisen sind.

4. Bei Haushaltskunden wird in bestimmten Fällen der automatische Abschluss eines Grundversorgungsvertrages abgeschafft

Bisher war es so, dass bei Haushaltskunden anstelle der Ersatzversorgung häufig der Abschluss eines Grundversorgungsvertrages angenommen wurde. Preislich war diese Einordnung auch irrelevant. Dies ist nun anders. Ein konkludenter Vertragsabschluss wird ausdrücklich zeitlich befristet für bisher von Drittlieferanten belieferte Kunden in bestimmten Fällen ausgeschlossen. Ein- und Umzugsfälle sind hiervon nicht betroffen.

Der Gesetzgeber hat zum Schutz des Grundversorgers in § 36 Abs. 1 Satz 4 n.F. i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 3 n.F. vor Missbrauch geregelt, dass der Grundversorger erst nach drei Monaten verpflichtet ist, Kunden, deren Entnahmestelle aufgrund einer Kündigung des Netznutzungsvertrages oder des Bilanzkreisvertrages gegenüber dem bisherigen Lieferanten keinem Lieferverhältnis mehr zugeordnet werden können, in der Grundversorgung zu versorgen.

Freiwillig kann der Grundversorger diesen Kunden selbstverständlich einen Wechsel erlauben. Möglich bleibt auch ein freiwilliger Wechsel in einen Sondervertrag.

Diese Kunden können also innerhalb dieser drei Monate nicht mehr in die ggf. günstigere Grundversorgung wechseln.

5. Ausweispflicht bei Preisänderung, wie sich der Versorgeranteil geändert hat (§ 41b Abs. 4 EnWG neu)

Wie oben bereits ausgeführt, ist mit der Mitteilung der Änderung auch der Versorgeranteil auszuweisen. Dies gilt für alle Lieferverhältnisse außerhalb der Grundversorgung. Deshalb ist auch bei Sonderkundenverträgen zukünftig der Versorgeranteil gesondert auszuweisen. In der Regel ist dies in der Praxis bereits schon so gemacht worden.

C. Weitere Änderungen im EnWG, unabhängig von der Grund- und Ersatzversorgung

Insoweit informieren wir lediglich über die Änderungen. Es besteht derzeit aber kein Handlungsbedarf für die Vertragsgestaltung!

I. Anzeigepflicht bei Aufnahme und Beendigung von Energielieferungen

Der neugefasste § 5 verfolgt als Reaktion auf das zurückliegende Verhalten einiger Strom-„Discounter“ das Ziel, die Aufsichtsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur über Energielieferanten zu verbessern, die Haushaltskunden mit Energie beliefern. Aus diesem Grund müssen solche Energielieferanten die Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit sowie Änderungen ihrer Firma der Bundesnetzagentur anzeigen. Die Anzeige der Beendigung der Tätigkeit hat der Lieferant so rechtzeitig vorzunehmen, dass diese nach Maßgabe des Satzes 3 der Bundesnetzagentur spätestens drei Monate vor dem geplanten Beendigungstermin zugeht. Diese neuen Pflichten werden auch in die Bußgeldtatbestände aufgenommen (bis zu 1 Mio. Euro).

II. Pauschaler Mindestschaden bei vertragswidriger Nichtbelieferung

§ 41 b Abs. 7 n.F. regelt, dass die Bundesregierung einen Schadensersatz-Mindestbetrag bestimmen kann, den ein Haushaltskunde gegenüber dem Energielieferanten wegen einer vertragswidrigen Beendigung der Belieferung geltend machen kann. Hierzu müsste die Bundesregierung noch eine Rechtsverordnung erlassen.

D. Änderungen im GWB – Preismissbrauchskontrolle

Die Preismissbrauchskontrolle nach § 29 GWB zu Energiepreisen, die bis zum 31. Dezember 2022 befristet war, wird nun bis zum 31. Dezember 2027 verlängert. Zusätzlich wird diese Regelung auch auf die Fernwärmeversorgung ausgeweitet. Damit erhalten die Kartellbehörden einfachere Rechtsgrundlagen bei der Preismissbrauchskontrolle. Damit ist der Gesetzgeber dem Wunsch der Kartellbehörden nachgekommen, die Regelung zum einen beizubehalten und zum anderen auf andere Sparten auszudehnen.

E. Änderungen im MsbG

Im Zuge der EnWG-Novelle gibt es auch kleinere Anpassungen am Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). Die Bundesnetzagentur ist durch die Ergänzung von § 47 Nr. 14 MsbG nunmehr berechtigt, die näheren Anforderungen der sog. „energiewirtschaftlich relevanten Mess- und Steuerungsvorgänge“ festzulegen. Die Bundesnetzagentur kann somit Klarheit darüber herstellen, welche Daten als energiewirtschaftlich relevante Daten für Abrechnungs-, Bilanzierungs- und netzrelevante Mess- und Steuerungsvorgänge gelten und über das Smart-Meter-Gateway geleitet werden müssen.

F. Handlungsempfehlungen

Für Lieferanten

  • Unternehmen mit Tarifsplit müssen ab dem Datum des Inkrafttretens alle Kunden zu einem einheitlichen Grundversorgungspreis abrechnen. Als solcher sollte der Preis für Altkunden angesetzt werden.
  • Die Veröffentlichung im Internet zu Grundversorgungspreisen ist anzupassen.
  • Unternehmen mit Tarifsplit können die Preise in der Grundversorgung insgesamt neu kalkulieren und die Preisänderung nach Maßgabe der Strom-/GasGVV gegenüber allen Kunden mit einer Frist von 6 Wochen zum Monatsanfang bekannt machen. Allen Kunden steht ein Sonderkündigungsrecht zu. Insoweit gelten keine Besonderheiten.
  • Für Unternehmen ohne Tarifsplit gibt es Handlungsbedarf nur bei der Neuberechnung der Ersatzversorgungspreise.
  • Alle Unternehmen sollten die von ihnen berechneten Ersatzversorgungspreise für Haushaltskunden überprüfen und ggf. neu kalkulieren.
  • Die Prozesse für die Ersatzversorgung von Haushaltskunden sind anzupassen (zwingend drei Monate für Haushaltskunden, die aus bestehenden Lieferverhältnissen in die Ersatzversorgung fallen!) – Freiwillig sind andere Lösungen möglich!
  • Alle Lieferanten müssen die Preise wegen des Wegfalls der EEG-Umlage anpassen. Hierzu ist aber KEIN Anpassungsschreiben erforderlich.
  • Preisanpassungsrechte in Sonderkundenverträgen sind an die Änderung in § 41 Abs. 6 EnWG anzupassen. Die Speicherumlage sollte als neue Umlage aufgenommen werden.

Für Netzbetreiber

  • Umsetzungspflichten für die Netzanschlusspflichten könnten schon vorbereitet werden. Insoweit sind die Verbändemitteilungen zu beachten, da eine Vereinheitlichung voraussichtlich über die Verbände koordiniert wird.
  • Die Gasmangellage stellt die Netzbetreiber vor weitere Herausforderungen. Auf der Grundlage der Empfehlungen der Verbände sind Notfallpläne für das Ausüben marktbezogener Maßnahmen gem. §§ 16,16 a EnWG vorzubereiten (vgl. hierzu auch Leitfaden Krisenvorsorge Gas, BDEW).

Bei weiteren Fragen zur Umsetzung wenden Sie sich gerne an die Unterzeichner.

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann

BEHTGE.REIMANN.STARI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

Sekretariat: Daniela Sahling, Tel.: 030 / 89 04 92 - 34, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

Recht aktuell wird nach sorgfältig ausgewählten Unterlagen erstellt. Diese Veröffentlichung verfolgt ausschließlich den Zweck, bestimmte Themen anzusprechen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Anwendung im konkreten Fall kann eine Haftung nicht übernommen werden. Sollten Sie weitere Fragen zu den angesprochenen Themen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Ansprechpartner. Der Nachdruck - auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet.

Sie sind berechtigt, einer Direktwerbung jederzeit telefonisch, schriftlich oder per Email an datenschutz@brs-rechtsanwaelte.de mit Wirkung für die Zukunft zu widersprechen. Wenn Sie die Publikation nicht mehr erhalten wollen, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail mit.

Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Partnerschaftsregister: Amtsgericht Berlin, Registernummer: PR 1040 B, Kurfürstendamm 67, 10707 Berlin, Tel.: +49 30 – 890492-0, Fax: +49 30 – 890492-10, E-Mail: brs@brs-rechtsanwaelte.de



# Tags: Recht Aktuell, Energierecht, Daniel Bürgermeister, LL.M., Wibke Reimann, Pascal Werner