Neue Informationspflichten für Gas und Wärme in der neuen Energieeinsparverordnung

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26.08.2022 | 

Am 24. August 2022 hat das Bundeskabinett zwei Verordnungen beschlossen, mit denen Gaseinsparmaßnahmen auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) angeordnet werden. Dabei handelt es sich um die Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV) und die Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSimiMaV). Währen die EnSimiMAV Regelungen zur Heizungsoptimierung und Pflicht zur Umsetzung auditierter Energieeffizienzmaßnahmen regelt, werden mit der EnSikuMAV sehr kurzfristig zu erfüllende Informationspflichten für Gas- und Wärmeversorger und Pflichten zur Energieeinsparung in Privathaushalten, öffentlichen Nichtwohngebäuden und Unternehmen eingeführt.

Die EnSikuMaV enthält für Gas- und Wärmeversorger relevante neue Informationspflichten gegenüber ihren Kunden, die durch die Versorger bis zum 30. September 2022 zwingend umzusetzen sind.

Die EnSikuMaV wurde unmittelbar vom Bundeskabinett beschlossen und wird ohne Beteiligung von Bundestag und Bundesrat zum 01. September 2022 in Kraft treten. Die Verordnung ist auf sechs Monate befristet. Die EnSimiMaV benötigt noch die Zustimmung des Bundesrats und soll zum 01. Oktober 2022 in Kraft treten. Sie ist bis zum 30. September 2024 befristet.

I. Informationspflichten für Gas- und Wärmelieferanten aus der EnSikuMaV

§ 9 Abs. 1 EnSikuMaV enthält Informationspflichten für Gas- und Wärmelieferanten, die Eigentümer von Wohngebäuden oder Eigentumswohnungen oder Nutzer von Wohneinheiten als Endkunden (nachfolgend Haushalte) leitungsgebunden mit Gas oder Wärme beliefern. Versorger, die lediglich Gewerbekunden versorgen, sind somit nicht betroffen.

Die „Haushalts“versorger müssen den von ihnen belieferten Letztverbrauchern bis zum 30. September 2022 die folgenden Informationen mitteilen:

  • Verbrauch und die Energiekosten der letzten vorangegangenen Abrechnungsperiode (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnSikuMAV). Die entsprechend beim Versorger schon vorliegenden Daten aus den letzten Abrechnungen sind also erneut zu übermitteln.
  • Darstellung der für die kommende Abrechnungsperiode zu erwartenden Energiekosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnSikuMaV). Dies hat auf Grundlage des Durchschnittsverbrauchs der letzten vorangegangenen Abrechnungsperiode zu erfolgen. Die voraussichtlichen Energiekosten der folgenden Abrechnungsperiode sind dabei nicht nach den vom jeweiligen Versorger im konkreten Vertragsverhältnis zu berechnenden Preisen darzustellen, vielmehr verlangt die Verordnung, dass die am 01. September 2022 in dem jeweiligen Netzgebiet geltenden Grundversorgungstarife für Erdgas als Grund- und Arbeitspreise heranzuziehen sind. Hieraus sind die zu erwartenden Kosten für die kommende Abrechnungsperiode fiktiv zu errechnen und dem Kunden mitzuteilen. Diese Pflicht gilt für Wärme- und Gasversorger!
  • Information über das kundenindividuell vorliegende rechnerische Einsparpotential (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnSikuMaV). Dies erfolgt nicht unter Berücksichtigung der tatsächlichen energetischen Verhältnisse beim Kunden, sondern anhand einer durch die Verordnung vorgegebenen Pauschalrechnung. Dabei geht die Verordnung davon aus, dass bei einer durchgängigen Reduktion der durchschnittlichen Raumtemperatur um 1° C eine Einsparung von 6 % zu erwarten sei. Dem Kunden ist auf dieser Basis das rechnerische Einsparpotential seiner Wohnung bzw. seines Gebäudes in kWh und EUR darzustellen. Es ist dabei nur das Einsparpotential darzustellen, das bei einer Temperaturabsenkung um 1° C erzielt wird. Eine tabellarische Aufstellung weiterer, möglicher Einsparungen bei einer weiteren Temperaturabsenkung ist nach der Verordnungsbegründung nicht darzustellen. Auch wenn es durch die Verordnung nicht verlangt wird, bietet sich ein Hinweis an den Kunden an, dass die tatsächlichen Einsparmöglichkeiten von der energetischen Qualität seines Gebäudes im Einzelfall abhängig sind und daher variieren können. Diese Empfehlung deckt sich auch mit den Angaben in der Begründung der Verordnung.

Die oben genannten Informationen sind individualisiert mitzuteilen. Sie müssen sich also auf den konkret beim jeweiligen Letztverbraucher angefallenen Verbrauch beziehen. Die Mitteilung muss grundsätzlich bis zum 30. September 2022 endkundenspezifisch erfolgen. Ist dem Versorger eine solche endkundenspezifische Information bis zum 30. September 2022 nicht möglich, so ist er nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EnSikuMaV verpflichtet, zunächst allgemeine Informationen auf Grundlage typischer Verbräuche unterschiedlich großer Gebäude und Haushalte mitzuteilen. Die Verordnungsbegründung verweist zusätzlich auf eine Berechnung auf Grundlage eines durchschnittlichen Verbrauchs von 165 kWh pro qm und Jahr. Hierdurch soll der Anstieg der Energiekosten gegenüber der vorherigen Abrechnungsperiode und mögliche Einsparpotentiale veranschaulicht werden. Eine individualisierte Information ist gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 EnSikuMaV allerdings dann bis zum 31. Dezember 2022 nachzuholen.

Die erstmals zum 30. September 2022 ausgelösten Informationspflichten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 4 EnSikuMaV binnen eines Monats erneut zu erteilen, wenn sich das Preisniveau im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnSikuMaV, d.h. das Preisniveau der örtlichen Grundversorgung für Erdgas, signifikant erhöht. Wann von einem erheblichen Anstieg des Preisniveaus auszugehen ist, wird weder in der Verordnung selbst noch in ihrer Begründung konkretisiert. Aus Vorsichtsgründen bietet es sich an, jedenfalls bei einem Anstieg um mehr als 10 % von einen erheblichen Anstieg auszugehen.

Handlungsempfehlung: Ein solcher erheblicher Anstieg der Grundversorgungspreise ist bereits zum 01. Oktober 2022 zu erwarten. Zu diesem Datum werden die Gasspeicher- und die Gasbeschaffungsumlage wirksam. Zudem kommt es ab dann zu einer deutlichen Erhöhung weiterer wesentlicher Preisbestandteile. Die neuen Preise ab 01. Oktober 2022 sind für die Grundversorgung indes bereits bekanntgemacht worden. Wir empfehlen daher, bereits in dem spätestens zum 30. September 2022 erfolgenden ersten Schreiben nicht nur die Preisstellung zum 01. September 2022 in den Kalkulationen abzubilden, sondern zusätzlich diese Berechnungen auch für den Stichtag 01. Oktober 2022 vorzunehmen. So wird der zu erwartende abermalige Informationsversand im Oktober 2022 vermieden, was nicht zuletzt erhebliche Versandkosten vermeidet.

Mit einem erneuten Auslösen der Informationspflicht nach § 9 Abs. 1 EnSikuMaV ist dann spätestens im Januar 2022 zu rechnen.

II. Umsetzung der Informationspflichten durch Wärmelieferanten

§ 9 Abs. 1 EnSikuMaV nimmt auch Wärmelieferanten in die Pflicht. Vor diesem Hintergrund überrascht die Ausrichtung des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EnSikuMaV zur Darstellung der zukünftigen Energiekosten auf den jeweils für das Abnahmeverhältnis geltenden lokalen Grundversorgungspreis, da dieser nicht notwendigerweise mit der Preisstellung der Wärmelieferung korreliert. Im Wortlaut der Verordnung und in der dazugehörigen Begründung finden sich keine weiteren Hinweise, wie Wärmelieferanten diese Pflicht umzusetzen haben, insbesondere in Fällen, in denen die Wärmeproduktin nicht gasgestützt erfolgt.

Wir empfehlen den Wärmelieferanten, dass sie unter der Annahme einer gasbasierten Wärmelieferung und eines fiktiven Wirkungsgrads dem Kunden einen Wärmepreis auf Basis der Gasgrundversorgung und seinem bisherigen Wärmeverbrauch errechnen. Der Rechenweg und die zugrundeliegenden Annahmen und Abweichungen zur tatsächlichen Wärmelieferung sollten dem Kunden dargelegt werden. Zusätzlich sollten Sie einen ausdrücklichen Hinweis dazu aufnehmen, dass die Berechnung rein fiktiv ist und insbesondere dazu dienen soll, auf die zu erwartenden starken Preissteigerungen hinzuweisen.

III. Konsequenzen bei Nichtbeachtung

In der aktuellen Fassung der Verordnung fehlen Regelungen, nach denen Verstöße gegen die getroffenen Regelungen bußgeldbewehrt sind. Ein solcher Verweis in der Verordnung ist aber erforderlich, damit ein Verstoß nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Lit. a EnSiG mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Da Verstöße damit schon nicht bußgeldbewehrt sind, entfällt auch eine mögliche Strafbarkeit wegen beharrlicher Zuwiderhandlungen oder schweren Gefährdungen nach § 15 Abs. 3 EnSiG.

Möglich könnten aber auch zivilrechtliche Konsequenzen sein, wenn entgegen der Anordnung der EnSikuMaV eine Information der Letztverbraucher unterbleibt. Da die Informationspflichten maßgeblich dazu dienen, dass der Verbraucher sein eigenes Verbrauchsverhalten überdenken und seinen Verbrauch reduzieren können soll, ist eine klare verbraucherschützende Intention erkennbar. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte aus Verstößen gegen die Informationspflichten etwa Leistungsverweigerungsrechte von Verbrauchern ableiten könnten. Diese Fragen sind bisher noch völlig offen.

IV. Handlungsbedarf

Gas- und Wärmelieferanten, die unter die oben genannten Regelungen fallen, müssen nun binnen einer sehr kurzen Frist in der Lage sein, individualisierte Mitteilungen an die Kunden über deren Verbrauchsverhalten zu versenden. Bereits jetzt sollten Prozesse geschaffen werden, die es ermöglichen fristgemäß zum 30. September 2022 die genannten Informationen an die Kunden zu versenden. Ist dies einem Versorger nicht bis zum 30. September 2022 möglich, hat er die Möglichkeit zunächst pauschalisierte Informationen auf der Grundlage der oben genannten Annahmen den Kunden mitzuteilen. Eine individualisierte Mitteilung hat dann aber spätestens zum 31. Dezember 2022 zu erfolgen, weswegen die genannten Prozesse auch bei diesen Lieferanten umzusetzen sind.

Zudem besteht für Gas- und Wärmelieferanten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EnSikuMaV jedenfalls für den Geltungszeitraum der Verordnung (bis zum 28. Februar 2023) die Pflicht, die Entwicklung der Grundversorgungstarife in den jeweiligen Netzgebieten ihrer Kunden auf signifikante Preissteigerungen zu überwachen und in diesen Fällen abermals Informationen in oben genannten Sinne mitzuteilen. Soweit dies möglich ist, sollten Sie mit Ihrer Information bekannte zukünftige Entwicklungen zusätzlich aufführen, da Sie sich damit eine erneute Information sparen.

Nicht nur die EnSikuMaV enthält eine Vielzahl von Informationspflichten für die Gas- und Wärmelieferanten. Auch durch die Regelungen des EnWG oder der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsverordnung (FFVAV) treffen die Lieferanten immer weitergehende Informationspflichten gegenüber ihren Kunden. Es wird damit immer dringlicher, Prozesse wie z.B. Kundenportale einzuführen, um damit schneller und kostengünstiger als mittels Brief informieren zu können.

Für Rückfragen wenden Sie sich gerne an einen der Unterzeichner.

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann, Rechtsanwalt Daniel Bürgermeister, LL.M.

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