Befristete Notversorgung in Mittelspannung und Mitteldruck für Januar und Februar 2023

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21.12.2022 | 

Am 15. Dezember 2022 hat der Bundestag das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer wichtiger energierechtlicher Bestimmungen verabschiedet.

Gesetzgeber führt befristete Notversorgungspflicht für Mittelspannungs- und Mitteldruckkunden für zwei Monate ein!

Der Regierungsentwurf erfuhr durch den federführenden Ausschuss noch zahlreiche Änderungen, darunter die Einführung des § 118c EnWG n.F. Diese Norm sieht eine befristete Notversorgung von Letztverbrauchern in Mittelspannung und Mitteldruck für die ersten beiden Monate des Jahres 2023 vor. Geschaffen wird die Pflicht des bisherigen Lieferanten, seine zum Jahresende 2022 vertragslos gewordene Kunden für zwei Monate weiter beliefern zu müssen.

Wir möchten Ihnen diese Neuerung im Einzelnen darstellen:

A. Befristete Notversorgung

I. Erfasste Kundengruppe

Von diesem Zuweisungsrecht sind nur Kunden erfasst, die entweder in Mitteldruck oder Mittelspannung beliefert werden, oder Kunden in der Umspannung von Nieder- zu Mittelspannung, auf die nicht die Ersatzversorgung nach § 38 EnWG anwendbar ist, als Letztverbraucher. Genauso wie bei der Ersatzversorgung entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis und kein Vertrag.

Diese Regelung gilt NICHT für Hoch- und Höchstspannungs- oder Hochdrucklieferungen!

II. Pflicht zur befristeten Weiterbelieferung über den 31. Dezember 2022 hinaus

1. Pflichten der Netzbetreiber

§ 118c Abs. 1 EnWG n.F. regelt, dass Verteilernetzbetreiber Entnahmestellen von Letztverbrauchern, denen ab dem 1. Januar 2023 kein Energielieferant zugeordnet ist, ab dem 1. Januar bis spätestens zum 28. Februar 2023 befristet dem Bilanzkreis desjenigen Lieferanten zuordnen, der den jeweiligen Letztverbraucher bis zum 31. Dezember 2022 an der jeweiligen Entnahmebestelle beliefert hat.

Die Verteilnetzbetreiber haben den bisherigen Lieferanten über ihre Pflicht zu informieren.

2. Wer ist zur Versorgung verpflichtet?

§ 118c Abs. 2 EnWG weist den Energielieferanten eine Weiterbelieferungspflicht für die erfassten Letztverbraucher zu, deren Energielieferverträge in dem Zeitraum vom 31. Dezember 2022 bis 31. Januar 2023 beendet wurden oder auslaufen. Die Zuordnung erfolgt durch Zuordnung der Kunden zum Bilanzkreis des bisherigen Lieferanten. Gibt es diesen nicht mehr, gilt eine Ausnahme (siehe unter IV.).

  • Nicht der Grundversorger, sondern der bisherige Lieferant ist verpflichtet!

Gibt es keinen bisherigen Versorger, ist weiterhin offen, wer dann liefern soll! Dann besteht nach dem Wortlaut keine Lieferpflicht und der Netzbetreiber sollte die Entnahmestelle aus eigenem Recht sperren! Der BDEW hat hierzu Leitfäden erstellt.

Die Netzbetreiber haben den betroffenen Lieferanten unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes darüber zu informieren, welchen Entnahmestellen in Mitteldruck oder Mittelspannung ab dem 01. Januar 2023 keine Lieferverträge mehr zugeordnet werden können.

Die Netzbetreiber können die Kunden über die anstehende Notversorgung informieren, müssen dies aber nicht.

3. Dauer der Lieferpflicht

Diese Lieferverhältnisse sind maximal bis zum 28. Februar 2023 fortzuführen, wenn der Kunde nicht von einem anderen Lieferanten beliefert wird.

Der Kunde kann jederzeit mit sofortiger Wirkung zu einem anderen Lieferanten wechseln.

  • Nach GPKE und GeLi gilt eine Anmeldefrist von mindestens 7 WT vor Aufnahme der Belieferung.

Hinweis: Lieferanten sollten Mengen für große Kunden wöchentlich für je eine Woche beschaffen, um so das Risiko einer Zuvielbeschaffung zu vermindern!

4. Lieferbedingungen

Es gelten dabei grundsätzlich die Lieferbedingungen fort, wie sie mit dem Kunden bisher vereinbart wurden.

Diese Bedingungen werden aber wie folgt modifiziert:

Preise gelten nicht fort, sondern der Lieferant ist berechtigt, ein angemessenes Entgelt für die Belieferung zu verlangen. Dabei darf er kein höheres Entgelt verlangen als die Summe aus den folgenden Preisbestandteilen:

  • Kosten der kurzfristigen Beschaffung der benötigten Energiemengen über Börsenprodukte + Beschaffungsnebenkosten, zzgl. Aufschlag von 10 %
  • Für Belieferung anfallende Netzentgelte und staatlich veranlasste Preisbestandteile
  • Sonstige in dem bisherigen Liefervertrag vereinbarte Preis- und Kostenbestandteile (z.B. Dienstleistungsentgelte)

Hinweis: Offensichtlich sollen hier die Begrenzungen zur Gestaltung von Grund- und Arbeitspreisen aus dem StromPBG und GWPBG hier nicht in gleicher Weise gelten.

  • Ordentliche Kündigungsrechte gelten nicht.
  • Sonderkündigungsrecht für Kunden im Falle eines Lieferantenwechsels
  • Die Abrechnungsintervalle können neu festgelegt werden (einseitig vom Lieferanten) – (vgl. unter 6.)
  • Neue Rechte des Lieferanten Sicherheitsleistung oder Vorauszahlungen zu fordern (vgl. unter 5.)
  • Belieferung ist befristet und endet spätestens zum 28. Februar 2023

Angesichts der vielen Einschränkungen ist fraglich, was noch an Lieferbedingungen aus dem bisherigen Vertrag verbleibt (wohl nur Lieferebene, Mengenprognosen, Informationspflichten und Anschlussleistung, ggf. Regelungen zur Abrechnung mit oder ohne Netznutzung).

5. Abrechnungsintervalle

Nach § 118c Abs. 4 EnWG n.F. kann der notversorgende Lieferant den Verbrauch des Kunden in Zeitabschnitten seiner Wahl abrechnen. Dabei muss der Intervall mindestens einen Tag betragen.

Empfehlung: Von kurzen Abrechnungsintervallen sollte bei erhöhtem Risiko unbedingt Gebrauch gemacht werden. Die Beschaffungstermine sollten mit den Abrechnungsterminen koordiniert werden. (Beispiel: wöchentliche Beschaffung, dann auch wöchentliche Abrechnung; tägliche Beschaffung, tägliche Abrechnung etc.).

6. Vorauszahlungen, Sicherheitsleistungen

Nach § 118c Abs. 4 S. 2 EnWG n.F. kann der notversorgende Lieferant von dem Verbraucher eine Vorauszahlung von bis zu fünf Werktagen oder eine Sicherheit verlangen. Nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist die Höhe der Sicherheit. Gemeint wird aber wohl sein, dass eine Sicherheit in gleicher Höhe wie die Vorauszahlung verlangt werden kann.

Hinweis: Lieferanten sollten hier proaktiv auf die Kunden zugehen und Vorauszahlungen schon vor Beginn der Lieferung fordern. Geht der Kunde darauf nicht ein, könnte ein Grund zur Verweigerung der Belieferung vorliegen, der umgehend dem Netzbetreiber mitzuteilen wäre.

Der Lieferant kann eine angemessene Vorauszahlung verlangen. Bei der Berechnung der Vorauszahlung kann dabei etwa auf den Vorjahresverbrauch unter Berücksichtigung der aktuellen Preise abgestellt werden.

III. Beendigungsrecht des Lieferanten bei Verzug

Der Gesetzgeber hat zugunsten des Lieferanten ein besonderes außerordentliches Kündigungsrecht eingeführt.

Nach § 118c Abs. 4 S. 3 EnWG n.F. kann der notversorgende Lieferant die Notversorgung fristlos beenden, wenn der Kunde eine fällige Forderung nicht innerhalb von zwei Werktagen begleicht.

  • Der Kunde muss durch den Versorger auf den Zeitpunkt der Beendigung der Notversorgung hingewiesen werden.

Problem: Fälligkeitstermin (nach BGB sofort, nach EnWG nach 14 Tagen)

Problematisch ist, dass nach § 40c Abs. 1 EnWG Rechnungsbeträge und Abschläge frühestens zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig werden.

Da § 118c Abs. 4 S. 3 EnWG auf die Fälligkeit abstellt, diese aber nach Maßgabe des EnWG für alle Kunden erst frühestens nach zwei Wochen eintreten kann, wäre eine außerordentliche Kündigung erst nach 14 Tage plus 2 WT möglich. Diesem Risiko trägt die vom Gesetzgeber vorgesehene Vorauszahlungsregelung nicht Rechnung.

Fraglich ist deshalb, ob der Gesetzgeber diese Rechtsfolge gesehen hat. Denn die Vorauszahlung wird anhand von max. fünf Werktagen bemessen. Dieser Zeitraum wäre sinnvoll, wenn man von einer sofortigen Fälligkeit einer Rechnung ausginge und eine Vorankündigungsfrist von drei Tagen für die Kündigung hinzuzurechnen wäre, was fünf Werktage ergäbe.

Fazit: Vor diesem Hintergrund wird man vertreten können, dass § 118c Abs. 4 S. 3 EnWG als speziellere Vorschrift eine Abweichung von § 40c Abs. 1 EnWG regelt. Andernfalls würde der Lieferant über die max. zulässige Vorauszahlung nicht abgesichert.

Hinweis: Ein Restrisiko im Falle einer Kündigung verbleibt.

In jedem Fall sollte sofort der Netzbetreiber über die Vertragsbeendigung informiert werden, damit keine Liefermengen mehr zugeordnet werden. Netzbetreibern ist in diesem Fall anzuraten, den Anschluss umgehend zu sperren.

IV. Ausnahmen von der Notversorgungspflicht

Nach § 118c Abs. 6 EnWG n.F. bestehen zwei Gründe, bei denen den Energielieferanten keine Pflicht zur Notversorgung eines Kunden trifft.

Keine Pflicht zur Notversorgung besteht

  • für diejenigen Energieversorger, die zum 31. Dezember 2022 ihre Geschäftstätigkeit beenden,
  • wenn eine Notversorgung aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Letztverbraucher nicht oder eingeschränkt zahlungsfähig ist.

B. Fazit und Empfehlungen

Der Gesetzgeber hat mit der Notversorgung ein Übergangsinstrumentarium geschaffen, dessen Berechtigung und Notwendigkeit fraglich ist. Die Notversorgung bedeutet für die Lieferanten einen zusätzlichen Abwicklungsaufwand für die kurzfristige Energiebeschaffung. Auch trifft die Lieferanten ein weiteres, von ihnen nicht gewolltes Risiko des Zahlungsausfalls.

Abermals zeigt sich, dass die in § 40c Abs. 1 EnWG getroffene Fälligkeitsregelung bei Nicht-Haushaltskunden zu ungewollten Ergebnissen führt, wenn dieser anwendbar sein sollte.

  • Betroffene Lieferanten sollten von der Möglichkeit der Vorauskasse Gebrauch machen.
  • Die Energielieferung sollte in so kurzen Abständen wie möglich abgerechnet werden.
  • Hier sollte, falls vertraglich und tatsächlich möglich, nicht von Papierrechnungen Gebrauch gemacht werden, sondern die Rechnung über ein Kundenportal oder auf anderen elektronischen Wege versandt werden.
  • Auch sollten bereits jetzt Möglichkeiten geschaffen werden, eine kürzere als monatliche Abrechnung bei Mittelspannungs- bzw. Mitteldruckkunden auch tatsächlich zu realisieren. Die monatliche Abrechnung beizubehalten führt zu weiteren finanziellen Risiken, da der Versorger zunächst für die kurzfristige Beschaffung in Vorleistung tritt.
  • Die Energieversorger sollten bereits jetzt prüfen, ob es bei ihnen Kunden in Mittelspannung oder Mitteldruck gibt, deren Verträge zwischen 31. Dezember 2022 und 31. Januar 2023 beendet wurden. Bei diesen besteht grundsätzlich das Risiko einer Notversorgungspflicht, auf die sich vorbereitet werden sollte.
  • Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten sollten dabei bereits identifiziert werden, um später die Unzumutbarkeit der Notversorgung wegen Zahlungsproblemen des Kunden einwenden zu können und so eine Notversorgung von Kunden mit geringer Bonität zu vermeiden. Die Kunden und der Netzbetreiber sollten entsprechend vor dem 01.01. informiert werden.
  • Netzbetreiber sollten prüfen, ob Lieferanmeldungen für alle Kunden vorliegen und Kunden ohne Lieferanten sofort identifizieren und die bisherigen Lieferanten informieren.
  • Kunden in Höchstspannung, Hochspannung sowie Hochdruck ohne Lieferanten sollten vom Netzbetreiber aus eigenem Recht gesperrt werden. Gleiches gilt, wenn Lieferanten dem Netzbetreiber Gründe gegen eine Lieferpflicht mitteilen.

Wenn Sie Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an.

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann, Rechtsanwalt Daniel Bürgermeister, LL.M.

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