Wichtige Informationen aus dem Mietrecht
Im Bereich des Wohnraummietrechts gibt es zwei aktuelle Neuerungen, über die wir Sie gerne informieren möchten:
- eine Entscheidung des BGH zur Verjährung des mietrechtlichen Auskunftsanspruchs (Punkt I.)
- und einen neuen Berliner Mietspiegel 2023 (Punkt II.).
I. BGH-Entscheidung zur Verjährung des Auskunftsanspruchs nach § 556g BGB
Bei Abschluss von Wohnraummietverträgen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sind bei Vereinbarung der Miethöhe grundsätzlich die gesetzlichen Bestimmungen des § 556d BGB zu beachten, sofern nicht einer der gesetzlichen Ausnahmetatbestände eingreift. Vom Grundsatz her, darf die vereinbarte Miete bei Neuvermietung nur max. 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen (Mietenbegrenzung). Ist eine höhere Miete vereinbart, steht dem Mieter u.a. ein Auskunftsanspruch gem. § 556g Abs. 3 BGB zu, damit er die gesetzliche Zulässigkeit der vereinbarten Miete überprüfen kann (s.u.).
Der BGH entschied am 12.07.2023 gleich in vier Urteilen über die umstrittene Frage der Verjährung dieses Auskunftsanspruchs (BGH Urteile vom 12. Juli 2023 - VIII ZR 375/21, VIII ZR 8/22, VIII ZR 60/22 und VIII ZR 125/22). Hierbei folgte er keiner der von den Zivilkammern des Landgerichts Berlin vertretenen Auffassungen.
1. Was regelt § 556g Abs. 3 BGB?
§ 556g Abs. 3 BGB regelt einen Auskunftsanspruch des Mieters für die Fälle, in denen die bei Vertragsschluss vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt um mehr als 10 % übersteigt. Dem Mieter steht dann das Recht zu, Auskunft über Tatsachen zu verlangen, die einen Ausnahmetatbestand von der Mietenbegrenzung erfüllen bzw. erfüllen könnten. Hierzu gehört z.B. die Auskunft über die vom Vormieter zu leistende Miete oder die Angabe von durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn des Mietverhältnisses. Der Mieter soll dadurch die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob die mietvertraglich vereinbarte Miete gesetzlich zulässig ist oder ein Gesetzesverstoß vorliegt und er überzahlte Mieten zurückfordern kann.
Umstritten und von den Gerichten unterschiedlich beurteilt wurde bislang die Frage, wie lange dem Mieter dieser Auskunftsanspruch zustehen soll und ob und wann dieser verjährt.
2. Bisherige Auffassung des Landgerichts Berlin
Die Vorinstanz der vorab zitierten BGH-Entscheidungen war in allen vier Verfahren das Landgericht Berlin. Die 65. und die 67. Zivilkammer des LG Berlin vertraten die Auffassung, dass der Auskunftsanspruch ein Hilfsanspruch zum Rückzahlungsanspruch des Mieters für überzahlte Miete sei und demnach nicht vor dem Rückzahlungsanspruch verjähren könnte. Die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs hängt davon ab, für welchen Monat der Mieter die Rückzahlung konkret verlangt. Hieraus folgt, dass der Auskunftsanspruch während der Dauer des Mietverhältnisses nie verjähren würde, da der Mieter stets einen Rückforderungsanspruch für einen unverjährten Zeitraum geltend machen könnte.
Die 63. Zivilkammer des LG Berlin vertrat hingegen die Auffassung, dass der Auskunftsanspruch der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegt und die Verjährung mit Abschluss des Mietvertrages zu laufen beginnt. Auf den Rückzahlungsanspruch käme es hierbei nicht an, was dazu führen würde, dass nach Ablauf des dritten Kalenderjahres nach Abschluss des Mietvertrages kein Auskunftsanspruch mehr durchgesetzt werden könnte.
3. Auffassung des BGH
Der BGH schloss sich weder den Ausführungen der 65. und 67. Zivilkammer noch der der 63. Zivilkammer des LG Berlin an.
Der BGH entschied zunächst, dass der Auskunftsanspruch ein selbständiger Anspruch ist und nicht von einem Rückzahlungsanspruch des Mieters für überzahlte Miete abhängig ist. Die Verjährung richtet sich demnach auch nicht nach der Verjährung des Rückzahlungsanspruchs. Anders als bei Auskunftsansprüchen, die auf Treu und Glauben beruhen, ist es dem Mieter auch ohne die Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB möglich, einen Zahlungsanspruch zu verfolgen und durchzusetzen, so der BGH. Daher ist der Auskunftsanspruch unabhängig vom Zahlungsanspruch.
Entgegen der Auffassung der 63. Zivilkammer des LG Berlin beginnt die Verjährung des Auskunftsanspruchs nach Ansicht des BGH nicht mit Abschluss des Mietvertrages, sondern mit der Rüge des Mieters wegen des Verstoßes gegen die gesetzlichen Regelungen zur höchstzulässigen Miete. Zur Begründung verweist der BGH auf die Ausgestaltung des § 556g Abs. 3 BGB durch den Gesetzgeber, der den Auskunftsanspruch so ausgestaltete, dass der Vermieter „auf Verlangen des Mieters“ zur Auskunftserteilung verpflichtet ist. Dieses Verlangen könne der Mieter jederzeit äußern. Eine Beschränkung auf einen zeitlichen Rahmen habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
4. Fazit
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt der Beginn der Verjährung des Auskunftsanspruchs nach § 556g Abs. 3 BGB die Rüge des Mieters wegen des Verstoßes gegen die gesetzlichen Regelungen zur höchstzulässigen Miethöhe voraus.
Diese Rüge kann der Mieter jederzeit während des Mietverhältnisses erheben.
Sein nach § 556g Abs. 3 BGB bestehendes Auskunftsrecht kann er allerdings nur innerhalb der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren geltend machen, wobei Verjährungsbeginn das Ende des Jahres ist, in dem der Mieter die Rüge gegenüber dem Vermieter erhoben hat. Folge hiervon ist, dass der Mieter nach Ablauf der Verjährungsfrist eine reine Auskunftsklage nicht mehr erfolgreich durchsetzen kann, wenn sich der Vermieter auf die Verjährung beruft.
Allerdings kann der Mieter Rückzahlungsansprüche wegen überzahlter Mieten weiterhin geltend machen und dem Vermieter obliegt in einem solchen Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vertraglich vereinbarte Miete gesetzlich zulässig ist.
Hierfür muss der Vermieter regelmäßig Auskunft über die Tatsachen vortragen, die einen Ausnahmetatbestand begründen – unabhängig von der Verjährung des Auskunftsanspruchs nach § 556g Abs. 3 BGB.
Der Mieter hat in Fällen, in dem der Vermieter dem Auskunftsverlangen nicht nachkommt und der Auskunftsanspruch verjährt ist, jedoch ein deutlich höheres Prozessrisiko bzgl. der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen, da er nicht einschätzen kann, ob ein Ausnahmetatbestand von der Beschränkung der gesetzlich höchstzulässigen Miete vorliegt oder nicht.
II. Neuer Berliner Mietspiegel 2023
1. Neuerungen
Ende Juni 2023 wurde vom Senat für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen ein neuer Mietspiegel für Berlin veröffentlicht. Der Mietspiegel 2023 ist - entgegen der ursprünglichen Planung - kein qualifizierter Mietspiegel, sondern ein einfacher Mietspiegel. Ein qualifizierter Mietspiegel soll im Mai 2024 folgen.
Die Werte im neuen Mietspiegel 2023 resultieren aus einer Weiterentwicklung des Mietspiegels 2021. Ermittelt wurde eine Entwicklung von +2,7 % pro Jahr. Zusammenfassend stiegen die Vergleichsmieten vom Mietspiegel 2021 damit insgesamt um 5,4 % an.
Die Wohnlage, das Straßenverzeichnis und die Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung zum Mietspiegel 2021 wurden nicht verändert, sondern für den neuen Mietspiegel übernommen.
2. Unterschied zwischen einfachem und qualifiziertem Mietspiegel
Qualifizierte Mietspiegel werden nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der nach Landesrecht zuständigen Behörde oder von den Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt. Grundlage eines qualifizierten Mietspiegels ist die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) für Deutschland.
Ein einfacher Mietspiegel unterfällt diesen strengen Anforderungen nicht. Für den einfachen Mietspiegel 2023 sind die Entwicklungen des Verbraucherpreisindex für Berlin berücksichtigt worden. Dieser weist einen stärkeren Gebietsbezug auf als der VPI für Deutschland. Zur Erstellung des Mietspiegels 2023 sind Teilindizes des VPI Berlin ausgewählt worden. Die rasanten Kostensteigerungen im Bereich Energie und Nahrungsmittel sind nicht berücksichtigt worden, da diese Preisentwicklungen nicht im Zusammenhang mit der Mietkostenentwicklung stehen und somit zu einer Verfälschung der Wertentwicklungsdarstellung führen würden.
Qualifizierten Mietspiegeln kommt eine gesetzliche Vermutung zugute, dass die darin enthaltenen Werte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. In einem Mieterhöhungsprozess kann der Vermieter sein Erhöhungsverlangen mit dem qualifizierten Mietspiegel begründen.
Einfachen Mietspiegeln fehlt diese gesetzliche Vermutung, sodass diese weniger verlässlich für die Begründung einer berechtigten Mieterhöhung herangezogen bzw. leichter widerlegt werden können. Bei einfachen Mietspiegeln sind im streitigen Prozess um die Berechtigung einer Mieterhöhung weitere Begründungen zur zulässigen ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen, wie bspw. ein Sachverständigengutachten oder auch konkrete Vergleichswohnungen. Gerichte sind an die in einem einfachen Mietspiegel enthaltenen Mieten nicht gebunden. Sie können im Rahmen des richterlichen Ermessens über die ortsübliche Vergleichsmiete auch unter Zugrundelegung anderer Kriterien entscheiden.
3. Für welche Wohnung gilt der Mietspiegel nicht
Wie auch die bisherigen Mietspiegel, gilt der Mietspiegel 2023 nicht für vermieteten Wohnungen im Bereich des geförderten Wohnungsbaus und für Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäuser, sowie für Wohnungen, die ab dem 01.01.2018 bezugsfertig geworden sind.
4. Fazit
Durch den Anstieg der Vergleichsmieten um 5,4 % im Vergleich zum letzten Mietspiegel 2021 sind Mieterhöhungen denkbar. Bei der Mieterhöhung insbesondere zu beachten ist die für Berlin geltende Kappungsgrenze, wonach sich die Miete bezogen auf einen Zeitraum innerhalb der letzten drei Jahre nur um maximal 15 % insgesamt erhöhen darf.
Da der Mietspiegel 2023 nur ein einfacher und kein qualifizierte Mietspiegel ist, ist die Begründung der Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete jedoch schwieriger und unsicherer als die Verwendung eines qualifizierten Mietspiegels. Zwar genügt es für das Mieterhöhungsverlangen an den Mieter, diesen mit dem Mietspiegel 2023 zu begründen; in einem ggf. erforderlichen gerichtlichen Prozess zur geltend gemachten Mieterhöhung, müssten neben dem Mietspiegel 2023 jedoch weitere Beweismittel zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, wie z.B. ein Sachverständigengutachten, herangezogen werden.
Ob sich die im Mietspiegel 2023 ermittelten Werte durch weitere Beweismittel als zutreffend herausstellen und bestätigen lassen oder nicht, birgt neben den zusätzlichen Kosten für ein Sachverständigengutachten zudem die Unsicherheit über den Ausgang des Verfahrens. Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein sicheres Begründungsmittel.
Es ist davon auszugehen, dass sich der angekündigte qualifizierte Mietspiegel 2024 vom einfachen Mietspiegel 2023 unterscheiden wird, da für einen qualifizierten Mietspiegel der Verbraucherpreisindex für Deutschland und nicht nur für Berlin herangezogen wird. Ob der Mietspiegel 2024 einen weiteren Anstieg der Vergleichsmieten verzeichnen wird, hängt zudem von den für die Erstellung des Mietspiegels heranzuziehenden weiteren Faktoren ab.
Wegen der gesetzlichen Vermutungswirkung, dass die in einem qualifizierten Mietspiegel enthaltenen Mieten, die ortsübliche Vergleichsmiete darstellen und der damit einhergehenden Beweislasterleichterung, ist die Erstellung eines neuen qualifizierten Mietspiegels für 2024 zu begrüßen.
Redaktion:
Rechtsanwältin Anja Rebentisch
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