„AGG – Hopper“ Diskriminierung als Geschäftsmodell

Diskriminierung, Schadensersatz, Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, Geschlechterdiskriminierung, rechtsmissbräuchlich, Befangenheitsanträge, Beibringungsgrundsatz im ZivilprozessBeibringungsgrundsatz im Zivilprozess, AGG-Hopper, § 291 ZPO
26.09.2024 | 

Systematische Entschädigungsklagen auf diskriminierende Stellenanzeigen sind nach wie vor ein Dauerbrenner. Auch der neuste Fall aus Berlin beginnt in bekannter Weise:

A.      Der Fall

Ein Industriekaufmann bewirbt sich auf eine Stellenanzeige, in der ausdrücklich eine Frau als Sekretärin gesucht wird. Nach der Ablehnung seiner Bewerbung geht er gegen den Arbeitgeber aufgrund dieser Diskriminierung vor und fordert Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Und das nicht nur ein Mal. Der Mann erhebt in 15 Monaten allein in Berlin 11 Klagen wegen Geschlechterdiskriminierung. Einerseits zeigt der Mann damit das immer noch vorherrschende Problem diskriminierender Stellenanzeigen auf. Andererseits ist die vermeintlich noble Tat letztendlich auch nur ein altbekanntes Geschäftsmodell und in dieser Form nach dem LAG Berlin rechtsmissbräuchlich (vgl. u.a. LAG Berlin Urt. v. 20.01.2023 Az: 3 Sa 898/22).

B.      Der Befangenheitsvorwurf

Doch damit nicht genug. Denn der AGG-Hopper gab nach der Entscheidung des Gerichts nicht auf und stellte beim BAG Befangenheitsanträge gegen alle Vorsitzenden des LAG Berlin. Die Begründung: ein Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz im Zivilprozess. Der Vorwurf lautete, dass die anderen Verfahren des Mannes bei der Entscheidungsfindung des Gerichts berücksichtigt wurden. Dies ist problematisch, da ein Gericht grundsätzlich nur die Tatsachen für eine Entscheidung berücksichtigen darf, die von den Parteien selbst vorgetragen werden. Das Gericht ermittelt den Sachverhalt also nicht selbst. Unschädlich ist jedoch das Heranziehen rechtskräftiger und veröffentlichter Entscheidungen. Der AGG-Hopper war jedoch nicht durch die Veröffentlichung der anderen Verfahren gerichtsbekannt geworden. Sondern hatte aufgrund der Vielzahl an Entschädigungsklagen wegen Geschlechterdiskriminierung, gewissermaßen im „Buschfunk“ der RichterInnen Berlins, Bekanntheit erlangt. Es stellte sich nun die Frage, ob es sich bei den so gewonnenen Informationen um offenkundige Tatsachen i. S. d. § 291 ZPO handelt. Darunter zählen allgemeinbekannte und gerichtskundige Tatsachen, die das Gericht an sich berücksichtigen darf und zu denen die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten (Beschluss v. 24.01.2024 Az: 8 AS 17/23).

C.      Die Lösung

Obwohl das BAG keine Stellung zu der interessanten Frage bezog, ob die gerichtsintern gewonnene Erkenntnisse von anderen Verfahren zu den offenkundigen Tatsachen nach § 291 ZPO gehören, wies es die Befangenheitsanträge des Mannes im Ergebnis zurück (Beschluss v. 24.01.2024 Az: 8 AS 17/23). Damit steht in dem kuriosen Fall fest, dass die Vorsitzenden des LAG Berlin nicht befangen und das Anliegen des Klägers eine Entschädigung aufgrund Geschlechterdiskriminierung zu erlangen rechtsmissbräuchlich war. Diese Entscheidung bedeutet jedoch keine Entwarnung für Arbeitgeber. Das Vorgehen im vorliegenden Fall überschritt zwar die Grenze des Rechtsmissbrauchs. Allerdings wird auch deutlich, dass das AGG nicht im luftlehren Raum schwebt und Arbeitgebern bei Diskriminierungen tatsächlich Schadensersatzansprüche drohen. Daher ist bei der Formulierung von Stellenausschreibungen, sowie im gesamten Bewerbungsprozess, höchste Sorgfalt geboten.

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Redaktion:

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