Der Brexit im Lichte des Gesellschaftsrechts - 4. Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes-

Rechtsanwalt und Notar Malte Beuster • 3. Juni 2025

Kurzinfo zum Gesellschaftsrecht - Nr. 9 / 12. März 2019

  1. Einführung
    Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union rückt immer näher. Die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen sind kaum abschätzbar. Betroffen sind auch britische „private companies limited by shares“ (Limited) mit deutschem Verwaltungssitz. Zahlreiche dieser Gesellschaften sollen nunmehr in eine deutsche Rechtsform umgewandelt werden. Nicht zuletzt mit Blick auf diese Gesellschaften hat der Gesetzgeber mit dem 4. Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes versucht, die Umwandlung in eine deutsche Gesellschaft zu vereinfachen. Zu diesem Zweck hat er das Umwandlungsgesetz um Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Personenhandelsgesellschaften ergänzt und zudem eine Sondervorschrift für vom Brexit betroffene Gesell­schaften geschaffen.

  2. Was passiert mit Gesellschaften britischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland im Fall eines Brexits?
    Nach gegenwärtigem Stand scheidet das Vereinigte Königreich am 29. März 2019 aus der EU aus. Mit Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU erlangt dieses die Stel­lung eines Drittstaates im Verhältnis zu den verbleibenden EU-Mitgliedstaaten. Damit entfällt auch die Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zum Vereinigten Königreich, soweit keine dauerhafte staatsvertragliche Regelung gefunden wird. Dies hat auch Aus­wirkungen auf die Gesellschaften britischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland, insbesondere auf die zahlreichen Gesellschaften in der Rechtsform einer Limited. Gesellschaften in der Rechtform der Limited würden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU oder dem Ende einer etwaigen Übergangsregelung in eine Perso­nengesellschaft deutschen Rechts (OHG oder GbR) umqualifiziert werden. Für den Fall, dass die Limited nur einen Gesellschafter hat, wächst das Vermögen der Limited dem Alleingesellschafter an, der das Unternehmen als Einzelperson fortführt. Problematisch ist, dass die Gesellschafter der Limited die persönliche Haftung für sämtli­che Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernehmen müssen. Darüber hinaus entstehen sowohl im Zu­sammenhang mit der Vertretung der Gesellschaft, als auch in steuerlicher Hinsicht Probleme.

  3. Welche Handlungsmöglichkeiten gab es bisher?
    Auf Grundlage der bisherigen Rechtslage kommen im Wesentlichen vier Handlungsmöglichkeiten Betracht:

    a) Übertragung sämtlicher Aktiva und Passiva

    Die Gesellschafter der Limited können beschließen, sämtliche Aktiva und Passiva der Limited auf eine Gesellschaft deutschen Rechts im Wege eines sog. „asset deals“ zu übertragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund des sachenrechtlichen Be­stimmtheitsgrundsatzes sämtliche Vermögensgegenstände genau bezeichnet werden müssen, und bei der Übertragung von Verträgen in der Regel die Mitwirkung Dritter erforderlich ist. Steuerlich kann die Einzelrechtsübertragung zudem dazu führen, dass stille Reserven aufgedeckt werden.


    b) Grenzüberschreitender Formwechsel

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann der Wechsel in eine Rechtsform deutschen Rechts auch durch einen sog. „grenzüberschreitenden Formwechsel“ erfolgen, weil dieser von der europäischen Niederlassungsfreiheit gedeckt ist. Dies sei auch steu­erneutral möglich. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Möglichkeit in der Praxis wohl daran scheitert, dass es nach Rechtsauffassung des britischen „Companies House“ hierfür an einer ge­setzlichen Grundlage mangele und es daher seine Mitwirkung verweigert. Ein solcher Formwechsel kann somit in Deutschland praktisch nicht vollzogen werden.


    c) Grenzüberschreitendes Anwachsungsmodell

    Als weitere Möglichkeit wird das sog. „grenzüberschreitende Anwachsungsmodell“ dis­kutiert. Zu diesem Zweck wird eine deutsche Gesellschaft (z. B. eine GmbH) gegründet und die Limited als Sacheinlage oder Sach-Agio in die Gesellschaft eingebracht. Mit dem Zeitpunkt, ab dem sich die Limited in Deutschland nicht mehr auf die Niederlas­sungsfreiheit berufen kann, würde sie sich in eine OHG oder eine GbR umwandeln. Da für eine OHG und eine GbR jedoch mindestens zwei Gesellschafter erforderlich sind, hier die deutsche Gesellschaft indes Alleingesellschafterin wäre, würde die Limited sogleich erlö­schen und das Vermögen der Limited mit allen Aktiva und Passiva der deutschen Gesell­schaft als einziger Gesellschafterin anwachsen.

    Es gibt zwei wesentliche Nachteile dieser Handlungsmöglichkeit. Erstens ist eine solche Gesamtrechtsnachfolge nur schwer nachweisbar, weil eine Löschung der Limited durch das britische Register zunächst nicht erfolgt und die Limited aus britischer Per­spektive wohl fortbesteht. Zweitens ist noch nicht abschließend geklärt, ob tatsächlich eine Buchfortführung erfolgen kann und der Einbringungsgewinn zu versteuern ist.


    d) Grenzüberschreitende Verschmelzung

    Schließlich kann die Limited grenzüberschreitend auf eine Gesellschaft deutschen Rechts verschmolzen werden. Hierfür existieren sowohl im vereinigten Königreich, als auch in Deutschland hinreichend sichere Rechtsgrundlagen. In Deutschland ist dies in §§ 122 a ff UmwG geregelt, wobei eine Verschmelzung bisher nur auf eine deutsche Ka­pitalgesellschaft vorgesehen war (§ 122 b Abs. 1 UmwG a. F.).

  4. Was ist neu?
    Der Gesetzgeber hat Änderungen ausschließlich für die grenzüberschreitende Verschmelzung vorgesehen. Neu ist nunmehr, dass eine Ver­schmelzung auch auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft möglich ist. Die grenzüber­schreitende Verschmelzung führt zum Erlöschen des übertragenen Rechtsträ­gers und zum Anfall des Vermögens auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge.

    Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung um ein zeitintensives Verfahren handelt, für das, insbesondere für die Einschaltung der Berater auf britischer Seite, bisweilen erhebliche Kosten entstehen, die gerade bei kleine­ren Gesellschaften nicht mehr im Verhältnis zum Nutzen des Verschmelzungsvorgangs stehen könnten. Insoweit dürfte die gesetzliche Neuregelung – jedenfalls für kleine Gesellschaften - nicht wirklich zu einer Erleichterung für die Umwandlung in eine deutsche Rechtsform führen.

    Zudem hat der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf den bevorstehenden Brexit eine Sondervorschrift (§ 122 m UmwG n. F.) aufgenommen, wonach ein vor dem Brexit eingeleitetes Ver­schmelzungsverfahren zulässig bleibt, auch wenn sich das Verfahren über den Stichtag des Brexit (also voraussichtlich den 29. März 2019) hinaus hinzieht. Offen bleibt allerdings die Frage, ob die englischen Gerichte noch nach dem Stichtag die aus deutscher Sicht erfor­derlichen Verschmelzungsbescheinigungen (§ 122 l Abs. 1 Satz 2 UmwG) ausstellen wer­den.

  5. Aussichten
    Der Brexit lässt auch bei der Frage der grenzüberschreitenden Umwandlung zahlreiche Fragen offen. Unabhängig davon, wann der Brexit tatsächlich stattfindet (Bei Abfassung dieses Artikels stand eine erneute Abstimmung im britischen Parlament über ein BREXIT-Abkommen mit der EU unmittelbar bevor), stellt sich die Frage, ob und auf welchem Weg eine Umwandlung insbesondere der Limited in eine deutsche Gesellschaft durchgeführt werden kann. Ob die neuen gesetzlichen Regelungen wirklich zu einer Erleichterung für die Umwandlung in eine deutsche Rechtsform führen, wird sich zeigen. Unter Berücksichtigung der erheblichen Kosten für die Einschaltung der Berater auf britischer Seite und der bisherigen Verweigerungshaltung des „Companies House“ kann man hier durchaus skeptisch sein.


Für Rechtsfragen rund um die Umwandlung von Gesellschaften oder Vermögensübertragungen stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung.

gez.

Malte Beuster       

Rechtsanwalt & Notar            



Download:   Der Brexit im Licht des Gesellschaftsrechts


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