Schulschließung/Eingeschränkter Kitabetrieb und Kinderbetreuung in der Pandemie

Rechtsanwalt Stefan Hagen, Rechtsanwältin Wibke Reimann, Rechtsanwalt Glenn Dammann • 3. Juni 2025

Kurzinfo zum Arbeitsrecht Nr. 15 / 20. Januar 2021

I. Ausgangslage

Aufgrund der ergriffenen COVID 19 Maßnahmen ist es erneut zu Schulschließungen und gravierenden Einschränkungen beim Kitabetrieb gekommen und es dürfte davon auszugehen sein, dass diese Maßnahmen nochmals verlängert werden müssen. In der Regel kann die notwendige Betreuung der Kinder nur durch die Eltern sichergestellt werden, so dass die Berufstätigkeit nicht oder nur eingeschränkt ausgeübt werden kann, was für Eltern und Arbeitgeber gleichermaßen zu erheblichen Belastungen führt und eine Herausforderung darstellt.

Da die Maßnahmen von vornherein für die Dauer von mehreren Wochen angeordnet worden sind und werden, liegt im Falle der pandemischen notwendigen Kinderbetreuung keine Arbeitsverhinderung von „verhältnismäßig kurzer Dauer“ vor, so dass der ansonsten sich grds. aus § 616 BGB ableitende Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber nicht besteht. Demzufolge ginge die notwendige Kinderbetreuung durch die Eltern finanziell zu deren Lasten.

 

II. Kinderbetreuung bei COVID 19 bedingter Schul-/Kitaschließung

Der Bund hat auf die besondere Situation in zweifacher Hinsicht reagiert. Rückwirkend treten zum 05. Januar 2021 nachfolgende Regelungen in Kraft:

  1. Kinderkrankengeld gem. § 45 SGB V

    a) Anspruchsvoraussetzungen und Umfang des Anspruchs

    Bislang hatten die Eltern gem. § 45 SGB V lediglich Anspruch auf Kinderkrankengeld, sofern ihr Kind erkrankt ist und betreut werden muss. Dies bedeutet, sie können entschuldigt von der Arbeit fern bleiben und erhalten den Lohnersatz durch die Krankenkasse.

    Durch Beschluss vom 05. Januar 2021 zur Verlängerung des Lockdowns wurde nunmehr beschlossen, § 45 SGB V dahingehend zu ändern, Eltern, die aufgrund der Corona-Pandemie ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, ebenfalls Kinderkrankengeld zu gewähren. Mit anderen Worten wird Kinderkrankengeld auch dann gewährt, wenn das Kind nicht erkrankt ist, aber nicht anders betreut werden kann. Es wurde aber nicht nur der Anwendungsbereich, vielmehr auch der Umfang der zustehenden Kinderkrankentage deutlich erweitert:

    - Gesetzlich versicherte Eltern von 10 auf 20 Tage pro Kind und Elternteil, max. 45 Tage bei mehreren Kindern
    - Gesetzlich versicherte Alleinerziehende von 20 auf 40 Tage pro Kind, max. 90 Tage bei mehreren Kindern

    Die Kinderkrankentage können sowohl für die Betreuung des erkrankten Kindes als auch zur Betreuung des durch Schließungsmaßnahmen betroffenen Kindes in Anspruch genommen werden.

    Um diese Leistung in Anspruch nehmen zu können, müssen die Eltern eine Bescheinigung bei der Krankenkasse einreichen, die die Schließung der jeweiligen Einrichtung bzw. deren Empfehlung des Fernbleibens bestätigt. Ob die geschuldete Arbeitsleistung im Home-Office erbracht werden kann oder nicht, spielt dabei keine Rolle.

    b) Bemessung des Kinderkrankengeldes

    Das Krankengeld nach § 45 Abs. 1 SGB V beträgt 90 Prozent des im Betreuungszeitraums ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsentgelt der Versicherten; es darf 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 223 Abs. 3 SGB V (4.837,50 EUR = 3.386,25 EUR) nicht überschreiten.

  2. Entschädigung wegen Schul-/Kitaschließung nach dem IfSG
    Nun stellt sich die Frage, was geschieht, wenn die Kinderkrankentage aufgebraucht sind oder aufgebraucht werden. Hier greift subsidiär das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Der Anspruch nach dem IfSG ruht, solange ein Anspruch nach § 45 SGB V auf Kinderkrankengeld besteht.

    Die Entschädigungsregelung des § 56 Abs. 1a IfSG ist bis zum 31. März 2021 verlängert worden. Damit soll der durch die behördlich angeordnete Schließung von Schulen oder Kitas entstandene Verdienstausfall wegen Selbstbetreuung der Kinder ausgeglichen werden. Die Auszahlung der Entschädigung übernimmt der Arbeitgeber für die Dauer von 6 Wochen. Der Arbeitgeber kann dann bei der zuständigen Landesbehörde einen Erstattungsantrag stellen. Es besteht für Arbeitgeber auch die Möglichkeit, einen Vorschuss bei der Behörde zu beantragen. Nach Ablauf von sechs Wochen müssen die Arbeitnehmer den Anspruch direkt geltend machen.

    a) Voraussetzungen

    Anspruchsberechtigt gem. § 56 Abs. 1a IfSG sind Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die behindert und hilfebedürftig sind. Voraussetzung ist, dass im Zeitraum der Kita- oder Schulschließung keine anderweitige zumutbare Betreuung für das Kind möglich ist und die erwerbstätige Person dadurch einen Verdienstausfall erleidet.

    Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde bzw. auf Verlangen des Arbeitgebers darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungs­möglich­keit für das Kind sicherstellen können. Ein Anspruch besteht nicht, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schul- oder Betriebsferien erfolgen würde.

    b. Bemessung der Entschädigung

    Im Fall des § 56 Abs. 1a IfSG wird die Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des der erwerbstätigen Person entstandenen Verdienstausfalls für jede erwerbstätige Person für längstens zehn Wochen gewährt, für eine erwerbstätige Person, die ihr Kind allein beaufsichtigt, betreut oder pflegt, längstens für 20 Wochen. Für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag in Höhe von 2.016 Euro gewährt.

    Als Verdienstausfall gilt grundsätzlich das Netto-Arbeitsentgelt (§ 14 SGV IV).

 

III.    Freiwillige Aufstockung durch den Arbeitgeber

  1. Bei Kinderkrankengeld
    Nach § 23c Abs. 1 SGB IV gelten u. a. Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld, die für die Zeit des Bezuges von Krankengeld geleistet werden, nicht als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, wenn die Einnahmen zusammen mit dem Krankengeld das Nettoarbeitsentgelt im Sinne des § 47 SGB V nicht um mehr als 50 Euro im Monat übersteigen.

    Dementsprechend kann der Arbeitnehmer die „Lücke“ zwischen Krankengeld und Nettolohn ausgleichen und somit seinen Arbeitnehmer unterstützen. Solange der Zuschuss den Nettolohn + 50 EUR nicht übersteigt, ist dieser nicht beitragspflichtig und steht somit auch dem Krankengeldanspruch nicht entgegen.


  2. Bei Entschädigungen nach dem IfSG
    Grundsätzlich sind Arbeitgeberzuschüsse, die freiwillig oder aufgrund eines Anspruches ausgezahlt werden, zusätzlich zum Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 oder 1a IfSG möglich, sofern diese den tatsächlichen Verdienstausfall nicht übersteigen. Diese Möglichkeit ist ausdrücklich in § 56 Abs. 8 IfSG vorgesehen. Ferner hat das Bundesministerium für Gesundheit am 22. Dezember 2020 freiwillige Zuschüsse von Arbeitgebern für zulässig erklärt.



gez.
S
tefan Hagen                             Wibke Reimann                                Glenn Dammann

Rechtsanwalt                              Rechtsanwältin                                Rechtsanwalt
             

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